29.04.2016

Die Jagd erhält das Großwild

Analyse von Ivo Vegter

Der Nashornjagd in Südafrika unterstellen Tierrechtler, sie sei nicht mit dem Artenschutz vereinbar. Tatsächlich ist sie sogar seine Voraussetzung.

Man kann nicht zum Schutz einer Art aufrufen und gleichzeitig die nachhaltige Nutzung der Art befürworten, ohne dass sich daraus ein Widerspruch ergebe. So zumindest sieht es David Bilchitz, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Johannesburg. „Nashornjagd ist nicht mit Artenschutz vereinbar“, stellt er nachdrücklich fest. Ihm zufolge ist es „schwer nachzuvollziehen, wie man die Erhaltung eines breiten, abstrakten Konzepts, wie dem einer Art, fordern kann, ohne die dazugehörigen Individuen zu respektieren“.

Man darf annehmen, dass er noch nie auf einer Großwildfarm oder in einem Naturschutzgebiet gearbeitet hat. Seine Ansichten sind erfüllt von moralischem Idealismus: Es widert ihn an, dass Tiere über keinen rechtlichen Status verfügen, der über ihren Nutzen für den Menschen hinausgeht. Zur südafrikanischen Politik, die die Trophäenjagd erlaubt, äußert er sich wie folgt: „Es besteht eindeutig ein enger Zusammenhang zwischen der legalen Jagd und der Wilderei, auch wenn der Minister das nicht zugeben will.“ Und fügt hinzu: „Arterhaltung ist für den Minister nur die Sicherheit, dass es auch künftig Nashörner gibt, die wir ausbeuten können.“

Es gibt tatsächlich einen engen Zusammenhang zwischen legaler Jagd und der Wilderei, und das Überleben der Nashörner als Art scheint mir ein lobenswertes politisches Unterfangen. Allerdings gestaltet sich der Zusammenhang zwischen Jagd und Wilderei genau andersherum, als es uns Bilchitz weismachen möchte. Legale Jagd verringert den Anreiz für Wilderei und vergrößert den Anreiz, die Tiere vor Wilderern zu schützen. Dasselbe gilt für Bilchitzs Probleme mit der Vereinbarkeit von legaler Jagd und Arterhaltung. Man könnte plausibel argumentieren, dass es zur Arterhaltung nicht der Jagd bedarf, aber es widerspricht jeglicher Empirie, dass Jagd und Artenschutz nicht miteinander vereinbar sein oder sogar im Widerspruch zueinander stehen sollen.

„Legale Jagd verringert den Anreiz für Wilderei“

Bilchitzs Argument beruht in Gänze auf der emotionalen Vorstellung, dass Tiere Rechte haben sollten, die es zu beschützen gelte. Er untermauert dies durch keinerlei Fakten.
Ganz im Gegensatz zu den Belegen, die der Fallstudie „Saving African Rhinos: A Market Success Story“ des Umweltökonomen Michael t’Sas-Rolfes zu entnehmen sind. Sie liest sich recht leicht und verdient eine umfassende Lektüre, aber kurz zusammengefasst stellt sie die These auf, dass die Erholung der Nashornbestände, vor allem des Weißen Nashorns (von einem Tiefstand von 20 Tieren bis zu einer Population von 20.000 Exemplaren heute) direkt auf Gesetzesänderungen von 1991 zurückgeführt werden kann, die private Großwildhaltung und Trophäenjagd erlaubt haben.

So schreibt t’Sas-Rolfes: „Trotz klarer Nachweise, dass gesicherte Eigentumsrechte und Marktanreize das vernünftigste Model für den Nashornschutz in Afrika ausmachen, erkennen dies viele Artenschützer und Entscheidungsträger nicht an. Durch Institutionen wie das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) verfolgen sie weiterhin einen ‚Befehl-und-Kontroll‘-Ansatz, der sich auf Regulierung und Verbote stützt, um die Nutzung der Tier- und Pflanzenwelt einzuschränken. Dieser Ansatz droht nun die bisher erreichten Erfolge zu unterminieren, denn der außerordentlich hohe Schwarzmarktpreis für Rhinozeroshörner gibt der Wilderei neuen Aufschwung.“

Eine der wenigen Fälle, bei denen CITES eine Erfolgsstory vorweisen kann, ist der peruanische Verwandte des Lamas, als Vicuña bekannt. Dieses Tier konnte jedoch nicht durch ein Handelsverbot, sondern im Gegenteil durch Handel vor der Ausrottung bewahrt werden. Der Wendepunkt ergab sich, als das Eigentum an den Tieren in private Hände in der Gemeinde übergeben und die kommerzielle Nutzung der Tierart erlaubt wurde. Tanya Jacobson, eine Nashornschützerin, zog in einem vor ein paar Jahren verfassten Aufsatz eine diesbezügliche Parallele zwischen Vicuña und Nashorn.

„Jagdverbote tragen nichts zum Schutz einer Art bei“

Etwa zur selben Zeit kam der Vorschlag auf, die Jagd auf drei Antilopenarten in Texas zu verbieten.  Alle drei sind in ihrer Heimat Afrika bereits ausgerottet. Die Ironie dieser Geschichte liegt darin, dass dank amerikanischer Sportjäger die Bestände von ursprünglich 2 Mendesantilopen, 9 Damagazellen und 32 Oryxantilopen im Jahr 1970 auf stolze Herden von 5000 Mendesantilopen, 800 Damagazellen und 11.000 Oryxantilopen angewachsen sind, die riesige texanischen Weidegelände durchstreifen. Das investigative Fernsehformat 60 Minutes ging der Frage nach, ob Jagd eine bedrohte Spezies retten kann. Man kann sich die Argumente jeder Seite anhören und seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen, aber für mich steht fest, dass diese Tiere ohne Jagderträge einfach keinen Lebensraum hätten und es nicht so viele davon gäbe.

Eine andere Fallstudie, die den Nutzen der Jagd bestätigt, befasst sich mit dem Bubye River Naturschutzgebiet in Simbabwe. Früher befand sich hier eine Ranch im industriellen Maßstab, eine der größten in ganz Afrika, auf der bis 1980 Rinder gehalten wurden. Wie in Südafrika schuf eine Gesetzgebung, die in Simbabwe privates Eigentum an Wildtieren erlaubt, den Rahmen für wirtschaftliche Wildtierhaltung, die diesem weiten Lebensraum seine einstige Pracht zurückgab und den Artenreichtum wiederherstellte. Ohne eine Aussicht auf Ökotourismus waren Beute- und Sportjagd die einzigen dauerhaften Einnahmequellen, um die Aufgaben des Schutzgebiets – wie Tiere an andere Orte bringen, Elektrozäune aufstellen und Wilderei bekämpfen – zu finanzieren. Heute, nach einem der größten Wiederbesiedelungsvorhaben überhaupt in Afrika, ist eine weite, staubige Rinderranch zu einer Herberge für wachsende Bestände von 35 Arten Großwild (darunter alle „Big Five“) avanciert.

Im Anschluss an den Aufschrei, den der Abschuss des Löwen Cecil in Simbabwe hervorrief, schrieb Rosie Cooney, Vorsitzende der Kommission für Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der Weltnaturschutzunion (IUCN): „Verbote der Trophäenjagd in Tanzania (1973-78), Kenia (1977) und Sambia (2000-03) beschleunigten den rapiden Verlust von Tieren, weil Anreize für deren Schutz entfernt wurden. Erste Einzelberichte aus Botswana, wo die Jagd im vorangegangen Jahr komplett verboten wurde, legen nahe, dass dort ähnliches geschieht.“ Diese Fallstudien belegen, dass Bilchitzs zentrale These – Artenschutz und Jagd seien unvereinbar – nur Kasuistik ist. Vulgo: Kompletter Unfug. Tatsächlich stimmt das genaue Gegenteil: Jagdverbote tragen nichts zum Schutz einer Art bei, vielmehr korrelieren sie, bedingt durch Wilderei, mit langfristig sinkenden Wildbestandszahlen.

„In vielen Gegenden bietet Jagd die einzige Möglichkeit, den Artenschutz mit den materiellen Bedürfnissen der Menschen zu vereinbaren“

Können Arten ohne Jagd geschützt werden? In manchen Gegenden wahrscheinlich schon. Wenn eine Region attraktiv, sicher und bekannt genug ist, um Fotosafaris von Ökotouristen wirtschaftlich zu ermöglichen, dann könnte man auf die Jagd verzichten, auch wenn die Bedrohung durch Wilderei bleibt und es zur Bestandskontrolle erforderlich ist, Tiere zu schießen. Aber die Natur ist nicht in Gänze so herrlich fotogen und auch die Bevölkerung vor Ort hat ein Recht auf das Land, auf dem sie leben – was die Nutzung der pflanzlichen und tierischen Ressourcen mit einschließt. In vielen Gegenden bietet dauerhafte Nutzung, auch durch Jagd – sei es für Fleisch oder nur zum Vergnügen ­–, die einzige Möglichkeit, den Artenschutz mit den materiellen Bedürfnissen der Menschen zu vereinbaren. Die Alternative wäre mehr Ackerbau oder Viehzucht und somit weniger Naturschutz.

Der wissenschaftliche Aufsatz, auf den sich Bilchitz bezieht, wurde auf einer Harvard-Konferenz zu Tieren und Verfassungsrecht vorgestellt und bietet auch nicht mehr empirische Belege als der eingangs erwähnte Leitartikel. Er beschränkt sich auf abstruses und philosophisches Geschwätz über Tierrechte, ein Thema, mit dem sich weder die Verfassung noch das Umweltschutzrecht Südafrikas befassen, und betätigt sich mit „interpretatorischen Übungen“ um das Gegenteil zu behaupten.

Bilchitz beginnt mit einem Zitat aus der berühmten Rede „Ich bin Afrikaner“ des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki:  „[…] Ich habe mich oft gefragt, ob ich die gleichberechtigte Staatsbürgerschaft unseres Landes dem Leoparden und dem Löwen, dem Elefanten und dem Springbock, der Hyäne, der schwarzen Mama und dem pestartigen Moskito zugestehen würde.“ Bilchitz fügt hinzu: „Er schlägt also weitsichtig vor, den Zugang zur Staatsbürgerschaft auf nicht-menschliche Tiere zu erweitern, ein Vorschlag, der erst seit Kurzem vehement in der wissenschaftlichen Literatur vertreten wird.“

„Veganismus würde gesetzlich vorgeschrieben, Haustierbesitz verboten und neuartige Medikamente könnten nur an Menschen getestet werden.“

Wahrscheinlich, weil man lediglich in der wissenschaftlichen Literatur mit solchen philosophischen Absurditäten davonkommt. Tatsächlich widerspricht Mbekis letztes Beispiel der ganzen Vorstellung von Tierrechten als den Menschenrechten entsprechend. Mit Sicherheit ist es vernünftig, Tiere vor Grausamkeit und unnützen Qualen zu schützen, doch wenn man die „gleichberechtigte Staatsbürgerschaft“ sogar auf einen malariaübertragenden Moskito ausweitet, dann bringt man damit mangelnde Wertschätzung für Menschenleben zum Ausdruck. Dadurch würde Veganismus gesetzlich vorgeschrieben, Haustierbesitz verboten und neuartige Medikamente könnten nur an Menschen getestet werden. Wenn der Moskito schon einen solchen Schutzstatus genießen soll, warum dann nicht auch die malariaauslösenden Parasiten der Gattung Plasmodium? Bilchitz drückt sich denn auch geschickt um das Thema Landwirtschaft und Tierzucht. Man darf aufgrund seiner Ansichten annehmen, dass er entweder Vegetarier oder totaler Heuchler ist. Wenn sich man jedoch, wie Bilchitz, nachdrücklich für in der Verfassung garantierte Rechte der Tiere auf „Würde, Gleichheit und Freiheit“ ausspricht, dann sollte man sich wenigstens ansatzweise mit der unbequemen Tatsache befassen, dass solche Rechte dann auch für Rinder, Schafe, Hühner und Fische gelten würden.

Dass Bilchitz einen ganzen Aufsatz über Ethik auf dieser Idee aufbauen kann, beweist eindrucksvoll, wie weit sich Akademiker von der Realität entfernen können. Wie irgendjemand auf ein solch naives Luftschloss politische Forderungen aufbauen kann, ist mir ein Rätsel. Und die Regierung tut gut daran, diesen verrückten Idealismus zu ignorieren. Das Land könnte Experten brauchen, die die verfassungsmäßigen Rechte seiner Menschen verteidigen, aber bedauerlicherweise zieht Professor Bilchitz es vor, seine steuerfinanzierte Zeit in die absurde Idee zu investieren, Tiere mit den Menschen gleichstellen und ihnen menschliche Grundrechte einräumen zu wollen. Sein philosophische Begründung, dass Jagd und Artenschutz nicht koexistieren könnten, besteht nur aus intellektueller Masturbation und die Behauptung selbst ist schlichtweg falsch.

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